(Dies ist eine Fortsetzung meines Postings vom März 2013)
Liebe Freunde,
Diese Facebook Seite wurde vor 9 Monaten gestartet, und war ein aufregendes Experiment. Ich wollte ausprobieren, ob man ohne Budget und mit spartanischen Werkzeugen, also ohne Website, sondern nur mittels Facebook-Seite, eine Konsumentenbewegung starten kann. Gewisse Erfolge haben wir erzielt. Mehrheitlich sind wir gescheitert. Ich möchte allen Menschen danken, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben. Bevor ich den Schlussstrich ziehe, möchte ich meine Erfahrungen teilen.
Was haben wir erreicht?
Nach nur zwei Wochen waren wir im Tagesanzeiger/Newsnet. Nach etwa drei Monaten hatten wir 500 Likes. Hinter den Kulissen haben uns sieben Menschen sehr aktiv und regelmässig unterstützt. Jedes Posting hat im Durchschnitt eine Reichweite von 100–300 Menschen erreicht. Zwei Menschen konnten wir zeitweise als Mitbetreuer der Facebook-Seite gewinnen. Für all das, plus die wertvollen Lehren die ich aus diesem Projekt ziehen konnte, bin ich sehr dankbar.
Was haben wir nicht erreicht?
Wir haben es nicht geschafft, Menschen zu motivieren, ihre Geschichten und Fallbeispiele einzureichen. Wir haben es nicht geschafft, attraktive Inhalte zu produzieren, die gerne geliked und geteilt werden. Wir haben es nicht geschafft, organisch und ohne Schaltung von Facebook Werbung zu wachsen. Wir haben es nicht geschafft, das Initianten-Team zu vergrössern bzw. einen neuen Hauptinitianten zu finden.
Eignet sich Facebook für eine solche Bewegung?
Ja und nein. Facebook ist ein geniales Instrument. Dennoch gibt es wichtige Dinge die ich gelernt habe. Erstens ist die Pflege einer solchen Seite sehr zeitaufwändig. Die Informationsüberflutung für FB-Nutzer ist ein grosses Problem. 0815 Postings haben es schwer. Um Likes und Shares zu generieren, muss man aus der Masse herausstechen. Man muss knackige, pointierte, wenn immer möglich grafisch untermalte Postings produzieren. Da Postings sehr kurzlebig sind, muss man dies immer und immer und immer wieder tun, um seine Reichweite zu steigern. Zweitens haben sich Facebook Pages inzwischen so entwickelt, dass man faktisch gezwungen ist Werbung zu buchen. Ohne Werbung wird jedes Posting nur noch von wenigen Prozent der Abonnenten gesehen, Experten sprechen von drei bis fünf Prozent. D.h. ohne Bezahlung verliert man 95–97% seiner Reichweite, und hat faktisch keine Chance neue Likes zu gewinnen. Facebook muss Geld verdienen, das ist vollkommen okay. Als Seitenbetreiber muss man sich dessen bewusst sein. Durch einige Spenden und aus meiner eigenen Tasche haben wir in den ersten Monaten total $650 investiert. Solange wir investiert haben, gingen die Zahlen nach oben. Als wir aufgehört haben, sind die Zahlen stagniert.
Sind Menschen bereit unsere Anliegen weiterzutragen, also zu liken und zu sharen?
Ja und nein. Wir hatten einen starken Kern von Leuten, die aktiv geliked und geteilt haben. Dennoch hätten wir viel mehr Likes und Shares gebraucht. Unsere Inhalte hätten sicherlich noch knackiger und vielleicht provokativer sein können. Oft waren diese vielleicht zu ernst und zu trocken.
Sind Leute bereit ihre Geschichten und Fallbeispiele einzuschicken?
Dies war die fundamentale Frage über Leben und Tod. Leider hat sich dies nicht bewahrheitet. Wir hatten viel zu wenig Einsendungen, und deshalb war die Luft bereits nach wenigen Monaten draussen. Ich muss daraus schliessen, dass der Leidensdruck bei diesem Thema wohl einfach zu wenig gross ist, um selber aktiv zu werden. Das kann ich gut verstehen. Ich selbst gehe ja auch nur sehr selten zum Arzt, und es gibt viele andere Prioritäten in meinem Leben die wichtiger sind als dieses Thema. Ausserdem scheint das Thema bei den Krankenkassen, bei vielen Patienten als auch bei Institutionen wie dem K-Tipp durchaus bekannt zu sein. Aber eben, der Leidensdruck scheint zu wenig gross bzw. andere Prioritäten scheinen wichtiger zu sein.
Was wollten wir erreichen?
Als Patient bei Ärzten und Zahnärzten ist meine Erfahrung, dass ich mich zu wenig als “Kunde” fühle. Dinge werden in der Regel bestimmt und verordnet, aber selten auf Augenhöhe besprochen (Stichwort Nachkontrollen, z.B. könnten die Ergebnisse einer einwandfreien Blutuntersuchung auch per E-Mail verschickt werden und müssen nicht an einem separaten Termin besprochen werden). Unser Wunsch an die Ärzteschaft wäre einfach mehr die Prinzipien der Privatwirtschaft anzuwenden: Innovation (wie wäre es z.B. mit einer Mobile App mit der Anzeige der aktuellen Wartezeit oder mit einer Art Ticketsystem um dem Wartezeitproblem entgegenzuwirken? Oder zumindest einem SMS falls man bereits weiss dass man stark in Verzug ist? Oder effizienterem Backoffice um den Overhead zu reduzieren?), Offerte und Zustimmung statt Verordnung, Pünktlichkeit (kann in diesem Business natürlich nie 100% garantiert werden, unserer Erfahrung nach scheint Pünktlichkeit aber keine Priorität zu sein), faire Abrechnungen. Ich bin absolut dankbar dafür dass es Ärzte gibt und mir geht es nicht darum, einen Kampf zu starten. Im Gegenteil hoffe ich auf den Unternehmergeist möglichst vieler Ärzte, die sich diesen Prinzipien anschliessen und damit ein schönes Business mit begeisterten Kunden aufbauen können. Mein Punkt ist, dass mein bisheriges “Kundenerlebnis” stark verbesserungsfähig ist. Und wenn es nicht von alleine passiert, dann muss man eben mit einer Initiative wie dieser nachhelfen.
Viele Wege führen nach Rom
Ich bin überzeugt, dass Themen wie Innovation und Kundenorientierung im Gesundheitswesen einen grossen Effekt haben können. Möglicherweise war mein Ansatz nicht der Richtige, um auf diese Themen aufmerksam zu machen. Unternehmen wie Medgate zeigen, dass Innovation im Gesundheitswesen möglich ist. Vielleicht hat es einen grösseren Effekt, eine solche Innovation zu kreieren, anstatt “nur” über die Probleme zu diskutieren und aufzuklären. In Deutschland gibt es eine App, mit der man Hautprobleme ganz bequem fotografieren und von zwei Hautärzten begutachten lassen kann, also eine Art Medgate im App-Format (wie ich gerade gesehen habe, hat Medgate nun ebenfalls eine App). Solche Innovationen braucht der Gesundheitsmarkt. Ich selber plane nicht, in diesem Segment tätig zu werden, aber vielleicht wäre es ja etwas für DICH? Wenn diese Facebook-Seite nur einen einzigen Unternehmer motiviert, eine solch innovative Dienstleistung aufzubauen, dann habe ich bereits mehr erreicht als ich mir je habe erträumen lassen.
Wie geht es weiter?
Für mich endet hier dieser Weg. Einen Schlussstrich zu ziehen ist nie einfach. Einen Misserfolg einzugestehen noch weniger. Ich werde zur Erinnerung ein paar Screenshots machen, und dann die Facebook-Seite als auch die Website und den Twitter-Account löschen. Falls du dieses Projekt übernehmen möchtest, dann hast du jetzt noch ein paar wenige Tage Zeit, mir eine Nachricht zu schreiben und in zwei/drei Sätzen zu skizzieren was du mit dem Projekt vor hast. Gerne schenke ich dir diese Seite, die Website und den Twitter Account, unter der Bedingung, dass ich komplett aussteigen werde.